Geistlicher Impuls

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Wenn mein Blick beim Arbeiten auf meinem Schreibtisch umherschweift, trifft er des Öfteren eine kleine Ikone der heiligen Paraskevi von Iasi (der Name bedeutet Vorbereitung (auf den Sabbat) bzw. Freitag). Ein befreundeter rumänischer Priester aus Ia?i hatte sie mir vor 15 Jahren geschenkt und zuerst konnte ich mit dieser Ikone überhaupt nichts anfangen. Ich wusste nur, dass sie die Schutzheilige von Iasi ist und sehr wichtig für die Menschen in Rumänien, sowie dass viele Kirchen ihr geweiht sind. Den Schreibtisch habe ich damals als geeigneten Platz für diese Ikone ausgewählt und nun steht sie seitdem dort, egal an welchem Ort ich gewohnt habe. In all diesen Jahren hat sie auch eine persönliche Bedeutung für mich bekommen. Jetzt am 14. Oktober ist der Gedenktag der heiligen Paraskevi.

Dargestellt wird sie mit einem Kreuz und einer Schriftrolle. Auf dieser steht die Seligpreisung „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ (Mt 5, 8) Ihre Reinheit wird in der Liturgie als charakteristisch für sie verehrt. Auch gilt sie als Beschützerin oder das Licht der Moldau (Region Nordrumäniens), weshalb sie in Rumänien eine wichtige Bedeutung hat. Sie gilt als die Retterin der Frauen und Kinder, aber auch als Beschützerin der Kranken, des Wassers und der Brunnen und hat eine Bedeutung für die Ernte.

Sie war die Tochter gläubiger, wohlhabender Eltern, geboren Ende des 10. Jahrhunderts in Epibatai in Thrakien am Ufer des Marmarameeres in der heutigen Türkei. In jungen Jahren machte sie mitten im Gottesdienst eine tiefe Gotteserfahrung, die sie wie ein Schwert durchdrungen haben soll. Sie hörte den Herrn zu ihr sprechen: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Mk 8, 34) Danach begann sich ihr Leben zu verändern. Sie setzte sich für die Armen ein, ihre Kleidung verteilte sie an Bedürftige und bekleidete sich selbst mit einem Bettlergewand, was ihr viel Ärger mit ihrer Familie einhandelte. Als sie 15 Jahre alt war, starben ihre Eltern. Daraufhin entschied sie sich, in ein Kloster einzutreten. Einige Jahre danach ging sie nach Jerusalem um später als Einsiedlerin in der jordanischen Wüste zu leben, wo sie mit viel Gebet, Nachtwachen und Fasten ihre Nachfolge lebte. Zwei Jahre vor ihrem Tod, mit 27 Jahren, kehrte sie in ihre Heimat zurück. Auch nach ihrem Tod sollen durch sie viele Heilungswunder geschehen sein. Ihre Reliquien liegen nach mehreren „Umzügen“ durch verschiedene Länder Südosteuropas seit 1641 in Iasi und seit 1888 in der ihr dort geweihten Metropolitan-Kathedrale.

Daran, dass Hunderttausende am 14. Oktober dorthin pilgern und in allen ihr geweihten Klöstern und Kirchen in Ost- und Südosteuropa Menschen miteinander Gottesdienst feiern, wird mir ihre Bedeutung auch für die Zeit heute ein bisschen deutlicher. Die Menschen erwarten stellvertretend Hilfe von ihr bei Gott, weil sie glauben, dass die heilige Paraskevi durch ihren klaren, reinen Lebensstil ein tiefe Gottesbeziehung hatte. Auch wenn Reliquien- und/oder Heiligenverehrung für mich sehr befremdlich ist, so sagt doch das Leben der Heiligen mir noch immer etwas für mein eigenes: Ein Ruf Gottes – (m)eine Lebensantwort darauf.

Heilige waren normale Menschen mit guten und schlechten Seiten, mit Neigungen und Fehlern. Sie hatten den Ruf Gottes für ihr Leben deutlich in einer Alltagssituation vernommen und sind ihm gefolgt in aller Konsequenz. In dieser Nachfolge war es an ihnen, sich immer wieder dafür zu entscheiden, den Glauben und den damit verbundenen Weg zu gehen und mit Leben zu füllen und ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Sie sind gestrauchelt und gefallen auf diesem Weg. Was ihre Heiligkeit ausmacht, ist vielleicht allein die Tatsache, dass sie immer, wenn sie gefallen sind, sich wiederaufgerichtet haben und weitergegangen sind, weil sie die Sehnsucht Gott zu begegnen, klar im Herzen trugen. Ihre menschliche Zerbrechlichkeit haben sie nicht als Hindernis gesehen, den Weg weiterhin zu gehen. Das wird mir zum Vorbild.

Auch ich bin gerufen im Leben. Um meinen Weg gehen zu können, dient mir der Sinn dahinter als Kompass. Der Ruf Gottes gab dem Lebensweg der hl. Paraskevi Sinn. Wenn mir der Sinn etwas zu tun fehlt oder verloren geht, fällt es mir schwer geradlinig und treu bei einer Sache zu bleiben. Das raue Leben, welches viele Heilige führten, lässt sich dadurch etwas besser verstehen. Askese oder Verzicht braucht einen tiefen Sinn dahinter, damit sie gelebt werden kann, andernfalls wirkt sie nur lebensfeindlich auf mich heute. Sie ist kein Lebensziel, sondern ein Mittel um Gott tiefer zu erfahren. Und sie muss ins Heute übersetzt werden. Menschen können auch unter den widrigsten Bedingungen leben und die Kraft des Verzichts haben, wenn sie einen Sinn für ihr Leben erkannt haben. Dagegen kann mich die beste Versorgung mit allem, was ich brauche oder zu brauchen meine, dennoch krank machen, wenn mir der Sinn fehlt, wofür es sich (so) zu leben lohnt.
Die heilige Paraskevi war ein Mensch wie ich, die in Christus einen tiefen Lebenssinn gefunden hatte. Sie und andere Heilige haben ihr Kreuz auf sich genommen. Durch ihr treues Gebetsleben, das ihren Alltag ausmachte, haben sie ein festes Fundament für ihr Leben gelegt und auch darüber hinaus. Darauf kann gut gebaut werden. Darauf kann Kirche gebaut werden. Und das hat Strahlkraft bis heute - so viel, dass es orthodoxe Gläubige in Rumänien auf sich nehmen, sich mitunter 20 Stunden am 14. Oktober anzustellen, um eine Reliquie anzuschauen.

Sr. Maria Ute Ehlert, Hof Birkensee

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