Geistlicher Impuls

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Trauergesang auf den Riesen Goliath
Tertiärgeschwister Andrea und Volker Linhard / Nürnberg

Wie magst du deine Kindheit verbracht haben?
Warst du immer der Größte und Stärkste?
Haben die anderen um deine Freundschaft gebuhlt?
Warst du ihnen nur etwas wert, wenn sie von deiner Kraft profitieren konnten?
Was hat das mit deinem Selbstbewusstsein, deinem Selbstwert gemacht?
Hattest du nur Freunde, wenn du den „starken Mann“ gespielt hast?
Aber waren das wirklich Freunde?
Oder haben sie dich nur benutzt?

So lag es für dich ja nahe, sich für den Dienst in der Armee zu bewerben. Große und starke Krieger waren in diesen unsicheren Zeiten gesucht beim Militär. Eigentlich wolltest du ja lieber Töpfer werden, du liebtest das Spiel mit dem weichen Material. Aber alle sagten, dass du dafür zu ungeschickt bist.
Und nun? In voller Rüstung konntest du dir ungeheuren Respekt verschaffen. Aber wenn die Männer abends am Lagerfeuer saßen, rückten sie ein wenig ab, wenn du dazu kamst. Die Gespräche wurden leiser. Du warst ihnen unheimlich. So still, so groß, so unberechenbar. Auch hier fandest du keine richtigen Freunde und lebtest nur in deiner Rolle als furchterregender Krieger. Das brachte dir Anerkennung und wenigstens lobende Worte der anderen. Aber immer wieder spürtest du auch den Neid deiner Kameraden und ihre Zurückhaltung. Auf die Auszeichnungen deiner Vorgesetzten legtest du keinen Wert. Aber deine einschüchternden Auftritte vor fremden Armeen hast du förmlich genossen. Ihre Angst, die schlotternden Knie, die Verzagtheit. Aber innerlich stumpftest du ab, funktioniertest nur noch wie eine gut geölte Maschine.

Und dann stand da dieser junge Mann vor dir. Keine Rüstung, kein Helm, nur ein Hirtenstab. Du sahst den schönen, braungebrannten Jüngling. Und für einen Moment hattest du dich an deine eigene Jugend erinnert. An die Hoffnungen und Wünsche. Du fragtest dich plötzlich: Was ist aus mir geworden? Und für einen Moment wolltest du alles hinschmeißen: Die schwere Rüstung, die auf dir lastete wie Stein, den eisernen Helm, die lange Lanze. Für Sekunden schoss es dir durch den Kopf: Ja, so möchte ich auch sein: Jung, normal, mit Freunden, mutig und lebendig, selbstbewusst. Für einige Herzschläge dachtest du: Ich steige aus! Was soll das Ganze? Für wen mache ich das eigentlich?
Aber dann hattest du dich nur kurz und kräftig geschüttelt. Du sahst die vielen Soldaten hinter dir und warst wieder in deiner Rolle. Du verhöhntest diesen kleinen Burschen, machtest dich über ihn lustig und wurdest dir deiner Stärke und Macht wieder bewusst. Doch dann spürtest du einen stechenden Schmerz in deiner Stirn. Du hörtest noch das Klappern der Rüstung, wie du auf den Boden fielst. Dann umfingen dich Nacht und Finsternis.

Und so trauern wir um den Philister Goliath.
Den großen Krieger,
der nie die Chance hatte, sein eigenes Leben zu leben.

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