Communität
Christusbruderschaft Selbitz

Schwester Uta Heger

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Wohl dem,
der seine Hoffnung setzt auf den Herrn.

  • 1938 Geboren
  • 1972 Eingetreten

Ich sage ja mit Gottes Hilfe

Als ich mein Examen als Apothekerin in der Tasche hatte, zog es mich aus meinem Elternhaus von Berlin weg nach Süddeutschland. Ich war als Kind in Bayern aufgewachsen, wohin meine Familie nach dem Krieg gekommen war. Wir waren Flüchtlinge, die dort eine neue Heimat suchten und waren ein Fremdkörper in der örtlichen Dorfgemeinschaft und wir bekamen das zu spüren. Auch zwischen den Kindern herrschte Krieg und ich war das Opfer.

Ein traumatische Erlebnis dort bewirkte bei mir, dass ich mich völlig auf mich selbst zurückzog. Erst als wir in die Stadt zogen, fand ich die ersten guten Beziehungen zu anderen Kindern. In diese Zeit fiel meine Konfirmation, an der ich mich das 1. Mal mit meiner Beziehung zu Gott auseinandersetzte und eine Antwort darauf suchte, ob ich ihm mein Leben anvertrauen könnte. Es war für mich eine Entdeckung, dass es ja heißt bei der Feier in der Kirche, eine Antwort zu geben auf das Angebot von Gott, es mit ihm zu wagen: „Ich sage ja mit Gottes Hilfe“. Dann hing es nicht an mir, sondern an Gott allein. Der Konfirmationsspruch war wie eine Antwort für mich. Psalm 40: „Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn.“

Wieder war ein Ortswechsel dran. Als ich 16 Jahre alt war, wechselte mein Vater beruflich nach Berlin, für mich war es ein Wechsel von der Kleinstadt in die Großstadt. Ich fühlte mich völlig allein gelassen in allen Anstrengungen den fachlichen Anschluss in der Schule zu finden. Ich fühlte mich auch fremd in der neuen Klasse, fühlte mich noch wie ein Kind gegenüber den anderen Mädchen, die schon junge Damen waren. Wieder verschloss ich mich und rettete mich in die Begeisterung für klassische Musik. Der Religionsunterricht langweilte mich und ich meldete mich davon ab, aber eine Sehnsucht nach Gott blieb. Als Familie waren wir christlich, aber die lebendige Beziehung zu Gott fehlte, die ich ganz kurz als Konfirmandin erlebt hatte. Nach dem Abitur studierte ich Pharmazie. Als ich mein Examen hatte, zog es mich fort von der Familie weg nach Stuttgart. Ich wollte Antwort auf meine inneren Fragen nach Gott finden, aber zuerst war für mich dran, dass ich mit anderen jungen Frauen ausging, viel Alkohol trank, Dinge, die ich zu Hause nicht getan hatte. Ich lebte in einem Wohnheim für berufstätige Frauen und wurde eines Tages von einer Mitbewohnerin in einen Kreis von jungen Menschen meines Alters eingeladen. Da lernte ich junge Menschen kennen, die einen lebendigen Glauben lebten und gar nicht weltfremd waren, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mein Interesse war geweckt, diese Menschen hatten anscheinend den Kontakt zu Gott, zu Jesus Christus gefunden und erzählten begeistert davon. So begann ich selbst in der Bibel zu lesen. Ich war alleine in meiner Wohnung, als ich las: Matth. 9,36 „Als Jesus die Volksmenge sah, fühlte er Erbarmen mit ihnen, denn sie waren abgequält und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Solch ein Schaf war ich, einsam, suchend, fragend, voll Sehnsucht nach dem Hirten. Da hörte ich die Frage von Jesus, ob ich ihm mein Leben anvertrauen möchte. Ich stammelte ein Ja, im ganzen Bewusstsein, dass ich diesem Hirten nicht folgen könnte aus eigener Kraft. Da schenkte mir Jesus eine überwältigende Freude, die alle bisherigen Erfahrungen überstieg. Das dauerte wenige Tage an, dann fiel ich in eine tiefe Niedergeschlagenheit. Ich bat Jesus um Hilfe und nannte ihm eine Frau aus dem Jugendkreis. Jesus sollte ihr sagen, dass ich Hilfe bräuchte. Ich war so schüchtern, dass ich es nicht wagte, sie selbst anzusprechen. Bei einem Treffen ein einige Tage später kam sie auf mich zu und fragte, ob ich Hilfe bräuchte. Es war für mich eine konkrete Antwort auf mein Gebet. Das erste Mal konnte ich mich einem anderen Menschen öffnen und war damit hineingenommen in die Gemeinschaft der anderen Christen. Der nächste Schritt war eine Beichte. Wie oft hatte ich an anderen Menschen lieblos gehandelt und sie verletzt, wo ich doch meinte, ein guter Mensch zu sein!

Dann hatte ich ein für mich erschreckendes Erlebnis. Eine Frau, die auch zu dem Jugendkreis gehörte, erzählte mir von der Christusbruderschaft. Sie hatte eine Zeit lang in Selbitz mitgelebt und sprach ganz begeistert davon. Ich war alleine in meiner Apotheke, als ich die Stimme von Jesus hörte „was hältst du davon, Schwester zu werden?“ Es begann ein inneres Gespräch mit ihm voll Zweifel und Angst. Es endete damit, dass ich zu Jesus sagen konnte: wenn du es absolut möchtest, würde ich es tun, aber verstehen könnt ich es nicht! Jesus antwortete nicht darauf mit der Forderung, es zu tun, auch dann nicht, als ich die Gemeinschaft kennenlernte. Auch in einer einjährigen Auszeit in Selbitz, wo ich die Frage nach meinem weiteren Berufsleben klären wollte, kam keine Forderung auf mich zu, aber die Angst davor meldete sich immer wieder. Am Ende dieser Zeit in Selbitz, wusste ich immer noch nicht, wie es für mich weitergeht: zurück nach Stuttgart oder Eintritt in die Christusbruderschaft, wo mich das Gebetsleben anzog. Wieder war ich mit meinen inneren Fragen vor Jesus und bewegte das Für und wieder der beiden Möglichkeiten. Da sprach Jesus wieder zu mir: „du kannst links oder rechts gehen, es ist alles gleich, ich werde überall mit dir sein“ In dieser großen Freiheit, die er mir zeigte, wählte ich den Weg in die Christusbruderschaft.

Zu Beginn meines gemeinsamen Lebens mit den Schwestern, wurde mir schnell erschreckend klar, wie unfähig ich überhaupt war, Gemeinschaft zu leben. Ich schrie zu Jesus um Hilfe. Er erhörte mein Gebet und eröffnete mir einen Weg. Wieviel Lasten hatte ich durch meine Lebensgeschichte und die Geschichte meiner Familie mitgebracht, die nun zu Kreuz kommen konnten. Ich erfuhr Vergebung meiner Schuld und konnte anderen vergeben, die an mir schuldig geworden waren. Das war ein langer Weg über Jahre hinweg. Ich wurde frei von diesen drückenden Lasten und Gaben konnten sich entfalten, die ich in der Begegnung mit anderen Menschen umsetzen konnte und die mich selber froh machten. So kann ich heute sagen: ich bin reich beschenkt worden in 50 Jahren als Schwester der Christusbruderschaft. Es waren schwere Zeiten dabei, aber im Rückblick darauf, kann ich sagen, dass dieser Weg, den Jesus mir gezeigt hat und auf den er mich gelockt hat, sich reich gelohnt hat. Sein Wort an mich hat sich erfüllt: "Wen der Sohn Gottes euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein.“ (Joh 8,36) Ich war von Kindheit an von vielen Ängsten bestimmt, die mich lähmten und verschlossen machten. Aus diesem Gefängnis der Angst hat er mich befreit. In mir dufte Vertrauen wachsen, ein Vertrauen auf die Hilfe des guten Hirten, dem ich nachfolgen durfte und der mich auch weiterhin begleiten wird.