Mein Weg ins Kloster? Wohl vor allem ein Such- und Sehnsuchtsweg, eine Suche nach dem „Mehr“, nach dem, was mir immer fehlte, ohne ausdrücken zu können, was es eigentlich war. Die „Kirche“ spielte während meiner Kindheit nur eine marginale Rolle in meinem Leben, obwohl ich durchaus sporadisch den Kindergottesdienst besuchte, unsere Eltern abends vor dem Einschlafen mit mir und meiner Schwester ein Gebet sprachen und ich gerne in der Kinderbibel las. Wir gingen jedoch – ganz traditionell – nur einmal jährlich am Heiligabend in den Gottesdienst. Einen lebendigen Glauben lernte ich dabei nicht kennen, obwohl in meinem Kinderglauben Gott einen festen, selbstverständlichen Platz hatte (als weißbärtiger alter Mann oben auf einer Wolke natürlich…). Später wollte ich diesem Gott und dem, was ich selbst mit Ihm zu tun habe, unbedingt näher auf die Spur kommen. Eine neue, sehr junge Pastorin brachte frischen Wind in unsere Kirchengemeinde, und so besuchte ich mit ziemlicher Freude und Wissbegierde den Konfirmandenunterricht. Ich wollte diskutieren, mich auseinandersetzen mit diesen spannenden Fragen des „Woher“ und „Wohin“, und ich finde es im Nachhinein bemerkenswert, dass wir als Konfis sehr schnell mit eingebunden wurden in die Gestaltung der Gottesdienste (Lesungen übernehmen, Abendmahl austeilen, selbst mal kleine Andachten halten,…). Ich fühlte mich herausgefordert und gewürdigt. Allerdings – trotz meines Engagements in der Gemeinde auch nach der Konfirmation wurde meine eigentliche Sehnsucht nach einer persönlichen Gottesbeziehung weder in den
auf mich liturgisch ziemlich „trocken“ und förmlich wirkenden Gottesdiensten noch in der Art von Jugendarbeit, die ihren Schwerpunkt eher auf sozialkritische Themen legte, befriedigt. Gott selbst war und blieb doch der Ferne, Unerreichbare. Ein Glaube aber, der gelebt wird, ganz unspektakulär und selbstverständlich mitten im alltäglichen Leben und nicht nur sonntags im Gottesdienst – diesen lernte ich kennen durch die Freundschaft zu einer baptistischen Familie. Das faszinierte mich: einfach so mit Gott reden, wie mit einem Freund, mit einem, der mich meint und liebt. In der Kirchenmusik (Singen in der Kantorei und Orgelunterricht) ergriff mich die Dimension des „Heiligen“ noch einmal auf einer emotionaleren, tieferen Ebene. Ich liebte es, für mich allein in der Kirche Orgel zu spielen – das war (und ist) für mich Gebet, Alleinsein mit Ihm. Mit 17 Jahren war ich zum ersten Mal in Taizé. „Das ist‘s, was ich suche!“, spürte ich. Vor Gott da sein dürfen, „in der Schlichtheit eines einfachen Herzens“, um mit Frère Roger zu sprechen, ohne besondere Leistung, ohne viele fromme Worte – einfach so, wie ich bin. Und im Rhythmus von „ora et labora“, in der Stille während der Gebete, in den sich ständig wiederholenden Gesängen und in der Gemeinschaft mit anderen die Nähe und Tiefe von Gottes Gegenwart zu erfahren. Dieses Erleben eines „Zu-Hause-Seins“ und Verstandenseins ließ mich nicht mehr los. Ich fühlte mich seitdem hingezogen zu solchen geistlichen Orten und verbrachte vor allem nach dem Studium immer wieder Zeiten in ev. Communitäten bzw. bei kath. Franziskanerinnen. Auch sonst saugte ich alles an Angeboten auf, die nur etwas mit geistlichem, klösterlichem Leben zu tun hatten. Jedoch – ein „Klosterleben“ so ganz für mich – diese Idee wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen. „Das müssen ganz besondere Menschen sein, und irgendwie auch ein wenig verrückt…“, dachte ich mir.
Eines fehlt dir...
Mittlerweile lebte ich an „meiner“ geliebten Nordsee und fühlte mich eigentlich rundum wohl – in meiner Tätigkeit als Lehrerin, in den kirchlichen Aktivitäten (Kantorei, Orgelspiel, Pfadfinderarbeit…), den menschlichen Bezügen. Eigentlich… – wenn nur nicht ständig dieses „Loch“ in mir gewesen wäre, dieses Sehnen nach dem Wesentlichen für mein Leben, das mich nicht in Ruhe ließ. Denn allein leben wollte ich auf Dauer nicht. Seltsamerweise beinhalteten meine tiefsten Wünsche aber auch nicht die Gründung einer Familie, sondern – wenn ich tief horchte – ein Leben ganz mit diesem Gott. Er war ja doch der Grund meines Sehnens. Aber was hatte Er mit mir vor? Das wusste ich nicht genau, obwohl ich in meinem Herzen insgeheim ein Wunschbild trug: Kleine geistliche Gemeinschaft auf einem Ökohof mit Umweltbildung für Kinder (…). In einem Sabbatjahr wollte ich diese Frage gründlich für mich klären. Gesagt, getan verbrachte ich unter anderem ein halbes Jahr „Kloster auf Zeit“ in Selbitz im Ordenshaus. Das entsprach nun auf den ersten Blick überhaupt nicht meinen Vorstellungen: „Nonnen“ in Tracht und außerdem für mich als „Nordlicht“ eine mehr als gewöhnungsbedürftige Landschaft. Aber ich wollte mich hier ja nur klären…
Gottes Wege sind nicht meine Wege
Hinter all dem fremden Äußeren öffnete sich plötzlich für mich der „Liebesraum Gottes“ an diesem Ort: Begegnung mit Ihm – im Gebet, in den Gottesdiensten, im ganz „normalen“ alltäglichen Leben der Schwestern untereinander. Ich war im Herzen berührt. Da stimmte etwas tief überein von meinem Suchen und dem, was ich hier erfuhr, ohne es zunächst konkret benennen zu können. Vielleicht so etwas, wie wenn ein Klang die entsprechenden Saiten eines anderen Instruments in Schwingung versetzt. „Eines fehlt dir… Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!“
Warum begegnen mir diese Worte, die Jesus zu dem reichen Jüngling spricht, nur so häufig? fragte ich mich. Da wollte mir „jemand“ anscheinend deutlich etwas sagen? Ich fühlte mich getroffen, im Innersten gerufen. Aber mein Verstand stemmte sich zugleich heftig dagegen: Was, wenn das alles nicht stimmt, wenn es doch nur eine fixe Idee, eine Flucht aus dem Leben, ein Phantasiegebilde ist? ... Außerdem: Ich als „Outdoorfreak“, immer Hosen tragend eine Ordensschwester? ... Ich war der reiche Jüngling, der traurig wieder wegging, weil er an seinem „Besitz“ festhielt.
Loslassen, um alles zu bekommen: Wie gut, dass letztlich der Ruf im Herzen stärker war als die Angst vor dem Wagnis. Ja, ich habe gewagt loszulassen – die Nordsee, meine Arbeit, Freunde,… – um die Fülle zu erhalten: Eine tiefe Freude darin, angekommen zu sein in meiner Suche; eine tiefe Gewissheit des „Ja“ für diesen Weg in der Nachfolge, mit der täglichen Einladung: „Tritt ein in den Liebesraum des Dreieinigen Gottes! Schau auf ihn und bete ihn an!“