Communität
Christusbruderschaft Selbitz

Schwester Manuela Lehmann

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So habe ich mich aufgemacht, ohne zu wissen, wohin ich gehen soll.

  • 1979 Geboren
  • 2015 Eingetreten

Meine Berufung - SEIN Geheimnis

Meine Berufung ist für mich ein Geheimnis. Deshalb fällt es mir schwer, Worte dafür zu finden. Ich weiß nur, dass ich bis zu meinem 35. Lebensjahr nie über ein Leben im Kloster nachgedacht habe. Dann bin ich in Exerzitien gegangen. Zum ersten Mal. Habe drei Tage in der Stille verbracht und auf Gottes Wort gehört. Was dann geschehen ist, kann ich am ehesten beschreiben mit Worten der Schweizer Benediktinerin Silja Walter (1919-2011). Sie schreibt über ihre eigene Berufungserfahrung:

  • Es ruft über den Fluss. Was ruft? Über welchen Fluss? Ich weiß es nicht. Es ist nicht eigentlich ein Fluss. Aber es ruft herüber nach mir. […] Es ist durchaus nicht bloß eine Stimme wie Johannes am Jordan, der den Ruf eines andern ruft, es ruft mich wie ein Rufer, der Rufer selbst ruft mich. Ich höre ihn dauernd über einen überall fließenden Fluss rufen. […] Es gibt das mächtige, das übermächtige Andere, so zart wie gar nichts, so zart, so leise wie nichts in der Welt. Auf der ganzen Erde, Sternenhimmel eingeschlossen, gibt es nichts so Leises, Denken, Fühlen und Lieben eingeschlossen, es ist noch unsäglich leiser, und doch hat es die Weltscheibe gesprengt. Am Ende gibt es am Ende nur noch das Andere. […] So einer muss fort. Wohin aber soll er gehen? (Silja Walter: Der Ruf aus dem Garten, Paulusverlag Freiburg Schweiz 1995, S. 17f., 25f.)

So habe ich mich aufgemacht, ohne zu wissen, wohin ich gehen soll. Und bin angekommen in der Christusbruderschaft. In einem mir fremden Land, an einem mir unbekannten Ort, in einer Gemeinschaft, von der ich bis vor kurzem nicht gewusst habe, dass es sie gibt. Aber innerlich war es vom ersten Tag an ein tiefes Nach-Hause-Kommen. Geheimnis Gottes.

Ich habe Sehnsucht nach Reich Gottes, nach der Erfahrung SEINER Gegenwart. Unter uns Schwestern und für die Menschen, die zu uns kommen. Manchmal geschieht es, dass etwas davon aufleuchtet. Das kann in sehr unterschiedlichen Situationen sein. Manchmal mitten im Alltag, in einer Begegnung. Manchmal im gemeinsamen Feiern. Und manchmal auch in der Erfahrung von gemeinsam getragenen Leid, das uns als Einzelne oder als Gemeinschaft trifft.

Und immer wieder sind mir Worte aus dem letzten Kapitel unserer Regel besonders wertvoll. Es trägt die Überschrift Hoffnung:

"Du wirst die Berufung immer nur bruchstückhaft leben. Gib dich mit deinen Gaben und Grenzen Gott hin, er wird die Bruchstücke vollenden. Halte die Spannung des Reiches Gottes aus: Es ist da und kommt doch erst. Du wirst Gottes Anwesenheit erfahren und darunter leiden, wenn du sie zeitweise nicht erlebst. Du wirst dich über die Liebe freuen und hilflos sein dem Leid gegenüber. Du wirst Vergebung erfahren und immer neu deine Sünde spüren. Du wirst mit der Berufung die Fülle kosten und doch die Leere aushalten. Willige ein!"

Und weiter: "Halte dich an Christus. Lebe in allem aus Liebe zu ihm. Weihe ihm Schwachheit und Kraft, Dunkel und Licht, Armut und Fülle." Das habe ich bei meiner Profess versprochen.