Communität
Christusbruderschaft Selbitz

Schwester Gertrud Konrad

Bild von Schwester Gertrud

Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen,
bin in Deinem Mosaik ein Stein.

  • 1949 Geboren
  • 1972 Eingetreten

Was bleibt stiften die Liebenden!

Schon als ganz junger Mensch hatte ich einen Traum. Ich wollte einmal, als Missionarin, in ein fremdes Land gehen. Mein Vater nahm mich jedes Jahr zu einem Missionsfest mit. Dort berichteten Missionare/Innen von Ihren Erlebnissen in fremden Ländern. Ich erinnere mich z.B. an Erzählungen von ihrer Tätigkeit auf Südseeinseln oder in Neuguinea, in Indonesien. Sie erzählten von der Andersartigkeit und Vielfalt ihrer Kulturen, auch von der großen Armut in der sie sie vorfanden, der Notwendigkeit medizinischer Hilfe und wie viele Menschen durch ihre Verkündigung der christlichen Botschaft Christen wurden. Ich war fasziniert von der Vielfalt der Kulturen und Menschen und dass es überall auf der Welt Menschen gab die an Jesus Christus glaubten.

Meine Eltern waren bodenständige, einfache gläubige Bauersleute. Es wurde in der Bibel gelesen und gebetet. Ich fand in unserm Haus viel christliche Literatur vor, z. B. über Friedrich von Bodelschwingh und andere diakonische Werke und auch über Albert Schweitzer und andere Missionseinsätze. Sobald ich lesen konnte verschlang ich sie und wünschte mir als Krankenschwester oder Missionarin auch in ein fernes Land zu gehen.

Nach der Konfirmation ermöglichte mir mein Vater in einen Christlichen Jugendkreis in der nahen Kreisstadt zu gehen. Während in unserm Dorf ganz wenige Altersgenossinnen waren, gab es dort viele junge Leute in meinem Alter und es machte mir viel Freude. In Bibelgesprächen hörten wir mehr darüber, wie wir eine persönliche Beziehung mit Jesus pflegen können und bewusst als Christ zu leben. Während einer Evangelisation wurde gefragt wer das wolle und ich entschied mich dafür Jesus nachzufolgen. Ich hatte ein Gespräch mit einer Seelsorgerin und übergab Jesus Christus in einem Gebet die Führung in meinem Leben.

Ich wollte was für Jesus tun und fragte unseren Jugendleiter, was ich tun könnte? Er schlug vor, dass ich eine Kindergruppe gründen könne und den Kindern von Jesus und dem Glauben an Ihn erzählen. Ich lud also die Kinder ein und sie kamen in die Kinderstunde in unserem Wohnzimmer. Ich sang mit ihnen, Wir machten Spiele und ich erzählte Ihnen biblische Geschichten. Vom Pfarrer hatte ich Material für Kindergottesdienst erhalten. Am Schluss gaben die Kinder eine Kollekte. Die schickte ich an die Schwesternarbeit der Rheinischen Mission. Von da an erhielt ich immer die Informationshefte der Schwestern, die in Indonesien, Tanzania und Namibia arbeiteten. Das beflügelte mich noch mehr mich beruflich auf einen Dienst in der Mission vorzubereiten. Am liebsten wäre ich als Hauswirtschaftslehrling gleich in das Schwesternhaus in Wuppertal gegangen um dann von dort aus die Krankenpflegeausbildung zu machen. Aber da schob meine Mutter einen Riegel vor. Sie wollte nicht, dass ich so bald so weit weg ginge. So machte ich eine Hauswirtschaftliche Lehre in der nahen Kreisstadt, wo auch die Jugendgruppe sich traf. Nun konnte ich auch  während der Woche an allem teilnehmen, was dort angeboten war. Das war für mich eine sehr schöne Zeit.

Dann machte ich in Koblenz die Ausbildung als Krankenschwester. Mir war geraten worden erst noch mehr praktische Erfahrungen zu sammeln, bevor ich ins Ausland gehe. Gleichzeitig wollte ich mich abnabeln von meiner Familie. Aber nicht von meinem Glauben an Gott. Ich bewarb mich in Stuttgart, denn ich hatte gehört, dass es dort eine interessante junge Gemeinde gab, den Offenen Abend.

Ich bekam einen Job auf einer chirurgischen Intensivstation und schloss mich dem Offenen Abend an. Die 2 Jahre in Stuttgart und im „ Offenen Abend“ waren angefüllt mit guten Gemeinschaftserfahrungen. Wo es irgend ging beteiligte ich mich als Mitarbeiterin, sei es im Hauskreis, bei Hausbesuchen und Straßeneinsätzen um junge Leute einzuladen. Wir hörten gute Referenten, die uns im Glauben prägten. Ich genoss die Großstadt mit all den kulturellen Angeboten. Im Nu waren die 2 Jahre um.

Mit einer jungen Krankenschwester zusammen träumte ich, dass wir gemeinsam nach Namibia gehen könnten. Sie war dort aufgewachsen. Wir bewarben uns bei der VEM Vereinigte Evangelische Mission in Wuppertal. Als ich mich aber näher mit diesem Vorhaben beschäftigte, spürte ich, dass ich mir erst einmal klar darüber werden musste ob das nun reine Abenteuerlust ist oder Gottes Ruf an mich? Ohne einen solchen Ruf traute ich mir solch eine Unternehmung nicht zu. Aber wie auf die Stimme Gottes hören, wenn das Leben so voller Termine und Unternehmungen ist?

Da fiel mir die Christusbruderschaft in Selbitz ein. Dort war schon eine ganze Reihe junge Frauen aus dem Offenen Abend zu einem Diakonischen Jahr hingegangen. Auch ich hatte ein paar Tage Nachtwachen Urlaub dort verbracht. Ich dachte, Ja, da könnte ich besser herausfinden was Gott mit mir vorhat, wo er mich haben will. Und so kam ich also vor über 50 Jahren in die Communität Christusbruderschaft hier in Selbitz für ein Jahr…, so dachte ich. Das war im Januar 1972. Ich war sozusagen zu allem bereit…… dachte ich. Aber sehr bald merkte ich, dass es doch nicht so war. In diesem Jahr traten eine große Anzahl junger Frauen und Männer dort ein. Sie wurden Brüder oder Schwestern der Communität Christusbruderschaft in Selbitz. Die meisten kannte ich aus Stuttgart. So etwas hatte ich gar nicht im Sinn, aber ich war zunehmend beunruhigt. „Könnte das auch mir passieren, dass Gott mich in diese Gemeinschaft ruft?“ Ich spürte einen inneren Widerstand. Ja, ich wollte Gott dienen aber doch nicht als Schwester in einem Orden.

 

Wie habe ich meine Berufung erlebt?

Während des ganzen Jahres führte ich Tagebuch und schrieb meine inneren und äußeren Befindlichkeiten auf, das, was mich ansprach oder was ich neu entdeckte, z.b. dass Gott mich vorbehaltlos liebt, ganz ohne mein Zutun, ja auch trotz meiner Widerspenstigkeit. Das hörte ich aus den Wortverkündigungen von Hanna und Walter Hümmer. Bestimmte Worte aus der Bibel sprachen mich an. Am Sonntag lag z.b. immer ein Bibelwortkärtchen auf dem Frühstücksteller. Es waren immer werbende Worte Gottes. Ein Wort bekam ich besonders häufig:“ Ich habe dich von Anfang an geliebt, darum habe ich Dich zu mir gezogen.“ Es steht in Jeremia 31,3.  Ein inneres Ringen begann. Ich fühlte mich wie Jakob, der mit Gottes Boten rang und zum Schluss sagte:“ ich lasse Dich nicht bis Du mich gesegnet hast.“ Ich hatte auch ein inneres Bild: da war ein langer dunkler Gang und links und rechts Türen. Alle waren geschlossen, nur eine stand einen Spalt offen. Licht fiel heraus. Als ich nähertrat und die Tür weiter aufmachte, sah ich viele Schwestern in einem großen Raum. Also, die Tür zur CCB steht mir offen. Ist das eine Einladung?

 Es dauerte noch bis November bis ich bereit war mich zu entscheiden und durch diese Tür einzutreten in die Communität im Vertrauen auf Gott, der es gut mit mir meint und der mich liebt. Das war meine große Bitte an Jesus Christus, mir immer wieder diese Erfahrung von geliebt sein zu schenken und einen weiten Raum in dem ich stehen kann. Ich liebe die Weite. Das bedeutete aber auch, dass ich meinen Wunsch in die Mission zu gehen, und einmal zu heiraten, auf den Altar Gottes zu legen hatte, so wie bei der Einkleidung meine privaten Kleider abzulegen vor dem Altar und die Ordenstracht zu tragen. Mit Gottes Hilfe und der Gemeinschaft wuchs ich nach und nach in die Gemeinschaft und meine Berufung hinein.

Nach drei Jahren im Ordenshaus wurde ich als Gemeindeschwester mit einer anderen Schwester, die den Kindergarten leitete, nach Ludwigsstadt ausgesandt. Dort bauten wir neben unseren Diensten eine Jugendarbeit auf, die sehr gesegnet wurde von Gott. Wir waren mit der Verheißung ausgesandt worden, dass Gott uns eine offene Tür geben wird und eiserne Riegel aufbricht. Wir erfuhren, wie Gott junge Menschen in seine Nachfolge rief.  Die ersten Jahre waren es ein paar wenige, doch dann wurden es immer mehr. Einige wurden Pfarrer, andere sammelten sich in Hauskreisen. Als wir nach 10 Jahren Ludwigsstadt verließen, übernahm eine der jungen Frauen aus dem Jugendkreis meine Stelle als Gemeindeschwester und andere die Jugendkreise. Später gründeten sie einen CVJM. Als wir schon gegangen waren, zeigte sich die sprossende Saat erst richtig. Die jungen Leute sagten mir später: „Ihr habt den Boden gepflügt und gesät.“ Dass der Same aufging und sprosste zu seiner Zeit, das machte Gott. Der schickte auch einen Pfarrer, der die jungen Pflanzen pflegte und begoss. Das Wachstum und die Früchte kamen von Gott. Das ich das erleben konnte war eine Gebetserhörung und hat meinen Glauben gestärkt.

Dann erlebte ich etwas ganz Wunderbares. Unsere Leitung der Communität stimmte einer Anfrage der Missionsgesellschaft VEM zu 3 Schwestern in einen Missionsdiakonischen Dienst nach Botswana im südlichen Afrika  zu senden, wenn es denn drei solche Schwestern gäbe, die einen solchen Dienst für sich sähen. Mein erster Gedanke:“ Gott hat meinen tiefsten Herzenswunsch nicht vergessen.“ Seit Jahren hatte ich mich für Geflüchtete Tamilen aus Sri Lanka eingesetzt, die in Ludwigsstadt untergebracht waren und hatte gedacht: "Ich bin nicht ins Ausland gegangen, nun legt Gott sie mir hier vor die Füße.“

Ich meldete mich also als Interessentin und mehrere andere Schwestern auch. Ich durfte eine von den dreien sein, die am 1. Oktober 1987 aufbrachen nach Botswana im südlichen Afrika. Vorher musste ich noch englisch lernen und, als wir dort ankamen, Setswana, die Landessprache. Ich machte  auch noch eine Hebammen Ausbildung in SA . Es gab viele Hürden zu nehmen, bis wir richtig loslegen konnten. Ich kann darüber jetzt nicht im Einzelnen erzählen. Aber es war für mich eine zutiefst beeindruckende Zeit und zugleich nicht leicht. Die Batswana sagen: Botselo Botatha das heißt“ das Leben ist hart. Wir nahmen an Ihrer Armut Ihren Krankheitsnöten Ihren Sorgen Anteil und versuchten zu lindern, einfach mit ihnen zu sein, oft ohne wirklich viel und nachhaltige Hilfe bieten zu können. Unsere Hauptaufgabe war die medizinische Versorgung in einer Klinik mitten im Busch ohne Arzt. Ich machte auch dort Jugendarbeit. Später bauten wir ein AIDS Hilfe Projekt auf. Als wir die Arbeit im Jahr 2000 in einheimische Hände legten und uns verabschiedeten, dankten uns die Bewohner von Sehithwa vor allen Dingen für die Liebe und Anteilnahme die wir ihnen erwiesen hätten.

 Jörg Zink sagte einmal: „Was bleibt stiften die Liebenden.“ Das will ich mir merken.

Ich blieb ein Jahr in Selbitz um mich von einer Krankheit kurieren zu lassen und ging dann für 2 Jahre nach SA nach PMB Pietermaritzburg um mit 2 Zuluschwestern zu leben, die eine Communität gegründet hatten. Sie wollten lernen wie man als Communität leben kann. Dort lernte ich einen Alt Bischoff kennen, der darum bat, dass wir in seinem Gebiet im Zululand ein AIDS Hilfe Projekt aufbauen sollten.

Ich ging mit 2 weiteren Schwestern aus Selbitz dort hin und wir begannen ein AIDS Hilfeprojekt auf zu bauen. Gott hat es gesegnet. Ich war zunächst 3 Jahre mit von der Partie, dann ging ich zurück nach Selbitz andere Schwestern kamen. Nach 5 Jahren ging ich noch mal für 2 Jahre. Eigentlich sollten es 5 Jahre werden, aber ich habe es physisch und psychisch nicht mehr geschafft.

 So kam ich 2014 wieder zurück nach Selbitz. Die anderen 3 Schwestern haben es durchgehalten. Heute wird das Projekt von diesen 2 Schwestern der Kenosis Communität geführt, mit denen ich 2 Jahre in Pietermaritzburg gelebt habe.

Also war ich wieder in Selbitz. Ich fühlte mich miserabel, dass ich nicht durchgehalten hatte und dachte, mit mir ist nichts mehr an zu fangen. Ich habe versagt. Aber ich fand auf meinem Kopfkissen ein Bibelwortkärtchen. Da stand: “Jesus spricht: Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch.

 2015 kamen viele Geflüchtete nach Deutschland. Die erste Anfrage kam zu uns ins Ordenshaus im März, ob wir eine Iranerin ins Kirchenasyl aufnehmen könnten. Dann kamen bald noch andere Geflüchtete in unser Haus und nach Selbitz eine sehr passende Aufgabe für mich, denn ich wusste, wie ich mich als Ausländerin gefühlt hatte in Afrika und wie dankbar ich war für jede Hilfe von Einheimischen.

Seit dem ich zurück im Ordenshaus bin, das werden in diesem Jahr 10 Jahre, war ich noch in der Pflege unserer alten Schwestern tätig. In den letzten Jahren lassen meine Kräfte kontinuierlich nach und ich muss es lernen ihnen entsprechend auch meine Aktivitäten einzuschränken. Das ist ein Lernweg. Inzwischen helfe ich noch stundenweise in der Betreuung der alten Schwestern und zusammen mit meinen Schwestern in den Gebetszeiten Gott zu loben und in Dankbarkeit vor Ihm zu sein. Und Ja, ich durfte meinen Traum leben, aber wie Paulus sagt : „als Stückwerk“  und mit Gottes Hilfe!

Wichtig war und ist mir in einer lebendigen Beziehung mit Gott und meinen Mitmenschen zu leben, Jesus nachzufolgen und zugleich in Freiheit Ich selbst zu sein, geprägt von den Werten, die uns Jesus Christus mitgegeben hat, z.b. in der Bergpredigt, oder wie es Paulus an die Kolosser3,12-18 geschrieben hat, mitfühlend, freundlich, einander achtend, nachsichtig, geduldig, vergebend, hilfsbereit einander in Liebe verbunden zu sein.

„Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen, bin in Deinem Mosaik ein Stein. Wirst mich an die rechte Stelle legen. Deinen Händen bette ich mich ein.“