Communität
Christusbruderschaft Selbitz

Schöpfungswandel

Von meinem Zimmer aus, im Noviziatskonvent in Richtung Süden, bekomme ich zu meiner großen Freude, Einblicke in die Welt der Vögel. Ein aus dem Wald mitgebrachter Ast mit Verzweigungen, dient den Vögeln als Landeplatz, den ich an der Balkonbrüstung befestigt habe. In den Wintermonaten hänge ich Meisenknödel und Fettblöcke daran. Aber auch während den anderen Jahreszeiten, steht immer eine Tasse mit Vogelfutter für sie bereit.
So kann ich Meisen, Kleiber, Amseln, Stare, Gimpel, Buntspechte und Stieglitze gut beobachten. Dabei fallen mir so manche Unterschiede auf, bspw. in der Art ihrer Nahrungsaufnahme aber auch in ihrer Persönlichkeit. Auch die verschieden ausgeprägten Schnäbel, der Farbverlauf ihres Gefieders, lassen mich immer wieder über Gottes Kreativität, Vielfalt und Liebe für Details staunen.
Manchmal bin ich tief berührt, wenn ich diese zarten Wesen betrachte, die genauso Gottes Geschöpfe sind und so liebevoll kreiert wurden wie Sie und ich. Mir wird bewusst, dass Gott die Vögel in exakt diesem Moment auch sieht und ebenso Freude an ihnen hat, wie ich – dann spüre ich Verbundenheit.
Während des Beobachtens der Vögel fällt mir jedoch auch ihre ständige Wachsamkeit, sowie eine gewisse Schreckhaftigkeit auf. Wenn sie auf dem Tassenrand sitzen, um von dem Futter zu fressen, drehen sie immer wieder ihr Köpfchen nach links und rechts, nach oben und unten, um zu schauen, ob mögliche Gefahren aufkommen und dann schnell wegliegen zu können.
Ob die Vögel im Garten Eden auch ständig nach Gefahren Ausschau hielten – frage ich mich.
Das erste Kapitel der Bibel beschreibt Gottes Schöpfung. In Genesis 1, Vers 29 + 30 heißt es (nachdem Gott alle Tiere und den Menschen erschuf) „Gott sprach: Siehe, ich habe euch (den Menschen) alles samentragende Gewächs gegeben, das auf der ganzen Erdoberfläche wächst, auch alle Bäume, an denen samentragende Früchte sind. Sie sollen euch zu Nahrung dienen; allen Tieren der Erde und allen Vögeln des Himmels und allem, was sich regt auf der Erde, allem, in dem eine lebendige Seele ist, habe ich jedes grüne Kraut zur Nahrung gegeben!“ (Schlachter)
Im zweiten Kapitel lesen wir, dass Gott den Garten Eden pflanzte, nachdem er auf der Erde alles wachsen ließ. Das hebräische Wort für Garten bedeutet „hüten“ und Eden bedeutet „sich glücklich fühlen“. Friedrich Weinreb, ein jüdischer Mystiker und Bibelausleger beschrieb den Garten Eden als einen Ort, an dem Glück vom Menschen gehütet wurde. Diese Betrachtung gefällt mir. Ein Ort, mit zahlreichen Bäumen, die unterschiedlichste Früchte hervorbrachten, unzählige Blumen, Sträucher, Gräser und Kräuter. In diesem Idyll, lebten alle Lebewesen - Tiere und Menschen - im friedlichen Einklang.
So liegt es doch nahe und lässt mich vermuten, dass zu dieser Zeit die Vögel ganz ohne ständiges und hektisches Umherblicken leben konnten. Denn sie kannten weder durch Menschen, noch andere Tiere eine Bedrohung ihres Lebens.
Nun ja, dieses Idyll wurde, wie wir vermutlich alle wissen, unterbrochen. Der Mensch suchte sein Glück woanders (was bis heute in uns steckt) sodass er letztlich den Garten verlassen musste.
Die Sintflut stellt für mich einen einschneidenden Wandel in Gottes Schöpfung dar. Nachdem Noah mit seiner Familie von Gott gesegnet wurde und den Auftrag bekam, fruchtbar zu sein und die Erde zu erfüllen, heißt es in Genesis 9, Verse 2-3: „Furcht und Schrecken vor euch soll über alle Tiere der Erde kommen und über alle Vögel des Himmels, über alles, was sich regt auf dem Erdboden, und über alle Fische im Meer…alles was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen; wie das grüne Kraut habe ich es euch alles gegeben.“ (Schlachter)
Aus dem anfänglichen Einklang zwischen Mensch und Tier, entstand die Jagd. Sowohl unter den Tierarten, als auch zwischen Mensch und Tier. Neben Früchten der Erde, gehörten nun auch Tiere zum Speiseplan der Menschen. Die Menschen machten im Laufe der Jahrhunderte aus der Jagd eine Ausbeutung und Ausrottung von Tierarten. Das ist die traurige Wahrheit unserer heutigen Weltzeit. Und es ist auch eine erschreckende wie auch krankhafte Verdrehung von Gottes Schöpfungsauftrag, in den er uns Menschen von Anbeginn mit hineingenommen hat.
Wie gehe ich damit um, wie gehen Sie damit um?
Ich glaube es ist gut, sich immer mal wieder mit dieser Frage auseinanderzusetzen, um eine Haltung zu finden, die wir auch erkennbar vertreten. Wenn ich Paulus Briefe lese, ahne ich, dass auch er sich in seiner Zeit mit Gottes Schöpfung auseinandergesetzt hat. Und zwar mit der Jetzigen, wie auch mit der Zukünftigen, auf die wir hoffen dürfen. In seinem Brief an die Römer schreibt er im 8. Kapitel, Vers 19: „Die gesamte Schöpfung wartet ja sehnsüchtig auf den Tag, an dem die Kinder Gottes in ihrer ganzen Herrlichkeit erkennbar werden.“ Weiter schreibt er: „Auch die Schöpfung wird einmal von dieser Versklavung an die Vergänglichkeit zur Herrlichkeit der Kinder Gottes befreit werden. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis heute unter ihrem Zustand seufzt…“(Neue evangelistische Übersetzung)
In Paulus Text erkenne ich einen weiteren Wandel in Gottes Schöpfung, der auf uns zukommen wird. Paulus spricht hier von der gesamten Schöpfung, wie wir lesen können. Nach meinem Verständnis sind besonders die Tiere, aber auch die Pflanzen und Bäume darin enthalten. In dem Seufzen, wie Paulus es beschreibt, erkenne ich unter anderem auch all die Schreckhaftigkeit der Tiere, die Lebensbedrohung, die sie durch besondere Wachsamkeit zu verringern suchen.
In Johannes Vision, an der er uns im Buch der Offenbarung teilgeben soll, finden wir leider keine konkreten Einblicke in Gottes neue Erde. In Offenbarung 21, Vers 5 heißt es: „Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er sprach zu mir: Schreibe; denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!“ (Schlachter)
Doch beim Blick in das Buch des Propheten Jesaja finden wir in Kap. 11, Verse 6-9 folgendes: „Da wird der Wolf bei dem Lämmlein wohnen und der Leopard sich bei dem Böcklein niederlegen. Das Kalb, der junge Löwe und das Mastvieh werden beieinander sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Die Kuh und die Bärin werden miteinander weiden und ihre Jungen zusammen lagern, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Der Säugling wird spielen am Schlupfloch der Natter und der Entwöhnte seine Hand nach der Höhle der Otter ausstrecken. Sie werden nichts Böses tun, noch verderbt handeln auf dem ganzen Berg meines Heiligtums; denn die Erde wird erfüllt sein von der Erkenntnis des HERRN, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“ (Schlachter)
Die Vorstellung, dass alles Seufzen von Tier und Mensch einmal ein Ende haben wird, weil etwas Neues auf uns wartet, was vielleicht am Zustand des Garten Eden anknüpft, löst in mir eine große Vorfreude aus. Gottes Verheißung durch den Propheten Jesaja, untermalen bildhaft meine Vorfreude und regen meine Phantasie an.
Gott schuf unzählbar viele Tiere mit so viel Liebe, die in ihrem Aussehen und Verhalten zum Ausdruck kommt. Er verlieh jeder Art besondere Eigenschaften. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tiere - in welcher Weise auch immer – auf der zukünftigen Erde nicht dazugehören werden. Eher, dass alles Lebendige in tiefer und untrennbarer Verbundenheit und Zugewandtheit untereinander und dem Schöpfergott leben wird.
 

Sr. Wiebke Beljan